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Widerstand gegen TTIP Handelsabkommen mit den USA

Kalletaler SPD wendet sich an Bundesparteitag

Kalletal: Die Kalletaler SPD hat sich in Fraktion und Gemeindepartei seit mehr als einem Jahr wiederholt mit dem Freihandelsabkommen TTIP mit den USA beschäftigt. Besonders wurde immer wieder die mangelnde Transparenz und die Geheimnistuerei bei den Verhandlungen kritisiert. Die Gespräche hinter verschlossenen Türen verstärken den Verdacht, dass das TTIP-Freihandelsabkommen gar kein solches ist, sondern sich dahinter Interessen amerikanischer Konzerne verstecken.

Diese Art von „Handelsabkommen“ lehnt die Kalletaler SPD aus mehreren Gründen ab. Besonders sind das das Klagerecht der Konzerne gegen demokratisch zustande gekommenen Gesetze und die privaten Sondergerichte außerhalb des staatlichen Rechtssystems. Ebenso wird befürchtet, dass die kommunale Handlungsautonomie im Bereich Wasser, Energie, Dienstleistungen oder Ausschreibungen eingeschränkt oder aufgehoben wird. Auch Standards im sozialen und im Verbraucher- und Umweltrecht sind bedroht.

Die Kalletaler SPD wendet sich nun mit einem detaillierten Antrag an ihren Bundesparteitag mit der Aufforderung die weiteren Verhandlungen zu stoppen und die Ratifizierung eines solchen Abkommens abzulehnen.

Die Kalletaler SPD ist nach der Großdemonstration gegen TITIP in Berlin mit 250.000 Teilnehmern sicher, dass der Widerstand gegen das Abkommen weiter wächst und sie mit ihrer Ablehnung auf dem richtigen Wege ist.

Antrag

An den Bundespartei der SPD

Antrag: TTIP/CETA/TiSA ablehnen

Der Parteitag möge beschließen:

Die SPD setzt sich dafür ein, die von der EU-Kommission mit Vertretern der betroffenen Regierungen geführten Verhandlungen über das Freihandelsabkommen TTIP und das Dienstleistungsabkommen TiSA umgehend zu stoppen. Ferner wird die SPD das zur Ratifizierung vorgelegte CETA-Abkommen zwischen der EU und Kanada nicht weiter unterstützen. Im Deutschen Bundestag, der Bundesregierung sowie als Teil der S&D-Fraktion im Europäischen Parlament sowie im Europäischen Rat fordert die SPD, die Ratifizierung aller drei Abkommen abzulehnen.

Der SPD Gemeindeverband Kalletal erklärt:

Bei den derzeit verhandelten „Freihandelsabkommen“ TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) – EU / USA), CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement – EU / Kanada) und TiSA (Trades in Services Agreement – multilaterales Dienstleistungsabkommen) handelt es sich um eine „neue Generation“ von bi- und multilateralen Handelsverträgen, die eine Machtverschiebung zum Ziel haben, weg von demokratisch gewählten Politikern, hin zu multinationalen Konzernen. Diese Art von Verträgen stellt einen massiven Eingriff in unsere kommunale Gestaltungshoheit und unsere kommunale Selbstverwaltung dar.

Der SPD Gemeindeverband Kalletal lehnt TTIP, CETA und TiSA in der derzeit bekannten Form ab.

Begründung:

Es gibt verschiedene Aspekte, von denen wir als Kommunen direkt betroffen wären:

  1. Demokratie und Transparenz

Obwohl Städte und Kommunen direkt betroffen sind, werden die kommunalen Spitzenverbände nicht in die Verhandlungen eingebunden. Dies entspricht nicht unserem Verständnis von Demokratie. Vielmehr muss die Einbeziehung in die Verträge so frühzeitig erfolgen, dass die Gestaltungsfähigkeit gegeben ist.

Daher fordern wir einen vollständigen Einblick in alle Verhandlungsdokumente sowie die Einbeziehung in die Verhandlungen. Dies fordern wir für TTIP, CETA und TiSA.

  1. Investitionsschutz für Konzerne

Internationale Konzerne erhalten ein Sonderklagerecht gegen demokratisch beschlossene Gesetze. Zwischen Staaten mit funktionierenden Rechtssystemen ist eine Investitionsschutzklausel überflüssig.

Vielmehr stellen „private Schiedsgerichte“ ein Parallelrechtssystem dar, das grundlegende Prinzipien des Rechtsstaates unterläuft und Konzerne mächtiger macht als demokratisch gewählte Regierungen.
Da sogar die Beschlüsse von Gemeinden Anlass für solche Klagen sein können, würde dies dazu führen, dass wir uns in vorauseilendem Gehorsam bei jedem unserer Beschlüsse überlegen müssten, ob sie eventuell die Gewinnerwartung eines Konzerns schmälern würden und somit eine Klage gegen den Staat nach sich ziehen könnten.
Angesichts der Tatsache, dass in den letzten Jahren die Anzahl der Investor-Staat-Klagen sprunghaft angestiegen ist, stellen wir uns die Frage, wie viele solche Klagen sich ein Staat, eine Stadt oder eine Gemeinde leisten kann. Wer bezahlt? Der Bund, die Stadt oder die Gemeinde?

Einen solchen Eingriff in unsere kommunale Entscheidungshoheit lehnen wir ab!

  1. Kommunale Daseinsvorsorge, öffentliches Beschaffungswesen, Dienstleistungssektor und Kommunale Selbstverwaltung

Kommunale Daseinsvorsorge (z.B. Wasserver- und Abwasserentsorgung, Energie)
Da bei diesen Arten von Handelsabkommen typischerweise die Regeln zum grenzüberschreitenden Handel mit Dienstleistungen und der Schutz ausländischer Investoren im Fokus stehen, ist zu befürchten, dass sie sich negativ auf die Organisationshoheit der Kommunen und die kommunale Handlungsautonomie auswirken.

Öffentliches Beschaffungswesen (in den USA schon weitgehend privatisiert)
TTIP und CETA würden die kommunale Organisationsautonomie gefährden. Mittelständische Unternehmen vor Ort dürften nicht mehr bevorzugt werden. Dadurch käme es zu einer Minderung der Gewerbesteuereinnahmen und einer Schwächung der lokalen Unternehmen.
Dienstleistungssektor (Bauwesen, Transportwesen, Gesundheit, soziale Dienstleistungen)

Immer mehr Bereiche des öffentlichen Dienstleistungssektors werden zum „allgemeinen wirtschaftlichen Interesse“ deklariert. Dadurch werden die Gebietskörperschaften gezwungen, diese gemäß einer „Marktzugangsverpflichtung“ im Wettbewerbsverfahren (künftig weltweit?) auszuschreiben. Das Gemeinwohl muss in diesen sensiblen Bereichen weiterhin im Vordergrund stehen.

Kommunale Selbstverwaltung

Obwohl die EU laut Lissabon-Vertrag und gemäß Subsidiaritätsprinzip nicht in die kommunale Selbstverwaltung eingreifen darf, duldet unsere Bundesregierung mit den Verträgen diesen Gesetzesübertritt und befördert ihn sogar noch.

  1. Positivlisten-Ansatz / Negativlisten-Ansatz

Es gibt zwei Modelle der Liberalisierung.

Der Positivlisten-Ansatz besagt, dass nur die Bereiche der kommunalen Daseinsvorsorge/ des Dienstleistungsbereiches der Liberalisierungspflicht unterliegen, die ausdrücklich in die Liste der Zugeständnisse aufgenommen werden.

Beim Negativlisten-Ansatz hingegen sind alle Bereiche von den Liberalisierungsverpflichtungen des Abkommens erfasst, die nicht ausdrücklich ausgenommen sind. Es ist zu befürchten, dass TTIP, CETA und TiSA einen sog. Negativlisten-Ansatz verfolgen.

  1. Stillstandsklausel und Ratchet-Klausel

Alle drei Handelsabkommen enthalten sowohl die Stillstands- als auch die Ratchetklausel. Die Stillstandsklausel legt fest, dass nach Einigung auf einen Status der Liberalisierung dieser nie wieder angehoben werden darf. Die Ratchetklausel besagt, dass ein staatliches Unternehmen, wie etwa die Stadtwerke, das einmal von einem privaten Investor gekauft wurde, niemals wieder rekommunalisiert werden darf.

Es hat sich in jüngster Vergangenheit gezeigt, dass – aus guten Gründen – zahlreiche Privatisierungen öffentlicher Güter wieder rückgängig gemacht wurden. Daher lehnen wir solche „Endgültigkeitsklauseln“ ab. Vielmehr ist zu beanstanden, dass keine generelle Austrittsklausel formuliert wurde.

  1. Living Agreement und Rat für Regulatorische Kooperation

Im Oktober 2013 hielt EU-Handelskommissar Karel de Gucht eine Rede in Prag, in der er vorschlug, TTIP solle einen regulatorischen Kooperationsrat einrichten. Die EU-Kommission plant nun in der Tat die Etablierung eines „Regulierungsrates“, in dem EU- und US-Behörden mit Konzern-Lobbyisten zusammenarbeiten, um Regulierungsmaßnahmen zu diskutieren und gegebenenfalls Standards zu lockern. Die Beteiligung Kommunaler Spitzenverbände ist nicht vorgesehen.“

In einer Rede am Aspen Institute in Prag bezeichnete Karel de Gucht das Abkommen darüber hinaus als „lebendes Abkommen“, was nichts anderes bedeutet, als dass sich die Verhandlungspartner auf ein allgemeines Rahmenabkommen einigen und die Details (z.B. Absenkung der Standards) dann in einem Ausschuss (im Nachhinein) weiterverhandeln. All dies geschieht am Europaparlament vorbei und entzieht sich dadurch jeglicher demokratischen Kontrolle.

Für Vereinbarungen, die derart weitreichend in die staatliche und kommunale Regulierungshoheit eingreifen, bedarf es Standards der Transparenz und der demokratischen Legitimation, auch wenn es sich um internationale Abkommen handelt.

Aus den genannten Gründen lehnt der SPD Gemeindeverband Kalletal diese „neue Generation“ von Handelsabkommen ab und fordert den SPD Parteitag auf, auf alle entscheidenden Gremien Einfluss zu nehmen, sich dafür einzusetzen, die Abkommen abzulehnen.

Manfred Rehse
Vorsitzender

Kalletal, 09.10.15

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